Lokale Leitungsteams in der Pfarrgemeinde St. Marien

Teams Gemeinsamer Verantwortung („TGV“)

Gemeinde – das ist zuallererst eine Gemeinschaft von Getauften, deren gemeinsame Aufgabe es ist, den Glauben zu leben und zu verkündigen.

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Back to life – Kirche am Ende oder am Anfang? (Artikel von 2023)

Unsere Kirche am Ende oder am Anfang? Ein Diakon macht sich Gedanken

In unserer Kirche haben wir einen Kipppunkt erreicht: Die katholische Kirche ist nicht mehr Herrin ihrer Mitglieder. Und das ist gut so, weil diese Bestimmungsmacht vielfältigen Machtmissbrauch ermöglichte und unendlich viel Leid bei Betroffenen auslöste und zu dauerhaften Persönlichkeitsschädigungen führte. Heute richtet sich die persönliche Biografie von Kirchenmitgliedern nicht mehr oder immer weniger automatisch nach der Kirche: kirchliche Trauung nein – Taufe der Kinder ja oder trotz Kirchenaustritt der Eltern Taufe der Kinder gern u.v.m.
Die Initiative „#OutInChurch – Für eine Kirche ohne Angst“ und das Manifest von 125 queeren Menschen, die beruflich oder ehrenamtlich in der katholischen Kirche in Deutschland tätig sind, machte das am 24. Januar 2022 auch nochmals deutlich mit dem Ziel, so „zur Erneuerung der Glaubwürdigkeit und Menschenfreundlichkeit der katholischen Kirche“ beizutragen. Selbst im Mitarbeiterstamm der Kirche wird es – endlich – nicht mehr hingenommen, dass Amtskirche diese missbräuchliche Führungsmacht zur Gängelung besitzt.
Lebendige Christen wollen Menschenrechte leben können!
Obwohl die katholische Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) die Menschenrechte als säkularisierte Form der eigenen Grundwerte (Jesu) anerkannt hat, wird in der strukturellen Mitleidslosigkeit der Institution insbesondere im Umgang mit den Missbrauchsopfern ein skandalöser Strukturfehler deutlich. Ebenso in der permanenten Herabsetzung der Ebenbildlichkeit Gottes der Frauen in der Verwehrung des Zugangs zu den kirchlichen Weiheämtern. Diese Unglaubwürdigkeit führt jetzt zu immer beschleunigteren Austritten der Kirchenmitglieder. Der „Überbrückungskredit“ des Vertrauens der treuen Kirchenmitglieder, der da heißt: „Es wird doch bald wieder besser“ schmilzt spürbar dahin. Keine der drei kirchlichen Sehnsuchts-Utopien trägt mehr. Weder der Katholizismus in der Schönheit der Liturgie, wofür der verstorbene Papst Benedikt XVI. stand, noch die nachkonziliare Familien-Gemeinde-Idee („Wer mitmacht, erlebt Gemeinde!“) und auch nicht die basiskirchliche sozialrevolutionäre Perspektive („Publik-Forum“) tragen mehr. Alle drei sind keine Schablone für die Zukunft der Botschaft Jesu in kirchlicher Verfasstheit.

Was heißt das nun für die Kirche, für uns als Pfarrgemeinde, als Seelsorgende?
Meines Erachtens ist dafür zuerst eine Rückbesinnung auf den Zweck nötig: Wofür braucht es Kirche? Wofür braucht Gott seine Kirche? Wofür stehen wir? Was gäbe es nicht (mehr), wenn es uns nicht mehr gibt? Der Pastoraltheologe Bucher antwortet so: „Wir verantworten die Konfrontation der konkreten menschlichen Existenz mit dem Evangelium in Wort und Tat, im persönlichen Bereich und in der Politik und Gesellschaft.“ Ich würde es für mich so sagen: Die Zeit der Coronakrise hat mich so stark wie wohl noch nie gelehrt, die Menschen hier in Lüneburg, in unserer Gemeinde mit den Augen Gottes sehen zu lernen, ihre Not, ihre Bedürftigkeit, aber auch ihren Hunger nach Gerechtigkeit! Aus dieser veränderten Wahrnehmung haben wir in den letzten Jahren in St. Marien kostenfrei FFP2-Masken an Bedürftige verteilt, eine Teststation betrieben, die Kirche als Impfstation geöffnet und seit Weihnachten einen „Mittagstisch St. Marien“ zum Treffpunkt für Menschen entwickelt, die lieber in Gemeinschaft als allein zu Hause essen und kein Geld für Luxuslebensmittel wie Obst haben.

Doch welche Organisationsform von Kirche ermöglicht das?
Darum ringt u.a. der Synodale Weg in Deutschland derzeit mit vier Foren (Forum „Macht, Partizipation und Gewaltenteilung“, Forum „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, Forum „Priesterliche Existenz heute“ und Forum „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“). Auch Papst Franziskus setzt auf das Prinzip der Synodalität. Dabei geht es ihm nicht nur um die Erzielung von Ergebnissen aufgrund breiter Mehrheiten. Nein, es geht ihm mehr noch auf das „Hören“ aufeinander, er setzt auf das „Hinhören“, das „Hineinhören“ in den anderen, auf das Wirken des Hl. Geistes in allen Beteiligten. Den Prozess des Hinhörens auf die anstehende Weltsynode hat Franziskus genau darum um ein Jahr verlängert.

Das Amtsverständnis war schon immer veränderbar
Ich bin ein Diakon dieser Kirche, ein „geweihter“ Amtsträger. Das Amt des Diakons in der derzeitigen Form der katholischen Kirche hat meines Erachtens drei Stigmata: Es hat dieses Amt am Anfang der Kirchengeschichte gegeben, dann viele Jahrhunderte als eigenständiges Amt nicht mehr und seit 50 Jahren gibt es ständige Diakone wieder. D.h. meines Erachtens sind unsere kirchlichen Ämter veränderbar. Verheiratete Diakone sind Männer, die kirchlich erlaubt Sex haben dürfen. Damit sind kultische Reinheitsvorschriften, die für den Anfang des Zölibats aus der jüdischen Tradition heraus Bedeutung hatten, in Frage gestellt. Sexualität und Kult sind damit keine Gegensätze mehr. Diakone gehören dem Klerus an, aber sie sind in der herrschenden Hierarchie so „niedrig“ angesiedelt, dass sie „ohne „Eucharistie“ als „ohnmächtige Kleriker“ (so Rainer Bucher) bezeichnet werden können. Wir Diakone können damit zur Speerspitze einer nachklerikalen Kirche werden und den Fokus darauf legen, was vom Evangelium her gegeben ist.

Was führt in die Zukunft?
Wir Amtsträger in der Kirche müssen eine Haltung weg von Überlegenheit und Selbstverständlichkeit (es war doch immer so …) entwickeln, uns so zeigen und positionieren. Papst Franziskus macht es uns vor in dem Sinne von: Welt, was kannst du von uns brauchen? Gott, was willst du heute von uns? Wie sollen wir dienen? Nicht: Wir belehren die Welt. Wir hören zu! Eine zukünftige Kirche muss sich an drei Leitgedanken ausrichten, so scheint mir: Selbstwirksamkeit, Freiheit und Vertrauen ihrer Kirchenmitglieder.
Selbstwirksamkeit: Den Christen vor Ort muss es möglich sein zu gestalten, ohne auf „die da oben“ zu warten. Ich als Diakon möchte Gläubige ermutigen, neue eigene Wege zu gehen. Ich muss – wie alle geweihten Häupter – jeglichen Herrschaftsgeist der Vergangenheit immer wieder in Frage stellen und immer wieder beiseitelegen.
Freiheit: Da, wo Kirche in Demut dient – beispielsweise bei Beerdigungen, Taufen, Segnungen, Trauungen –, kann eine solche neue Kirche gelingen und gelingt auch schon. Ich kann mich schweren Herzens an meine Anfänge bei Taufgesprächen erinnern, wo ausgetretene Eltern für ihre Kinder die Taufe wollten, und ich dachte, das geht doch gar nicht!
Glaube: Glaube, Vertrauen ist keine Bedingung für Erlösung! Glaube, Vertrauen ist ein Bekenntnis zur Erlösungszusicherung Gottes!

Das Kriterium für eine neue, am Menschen und im Geiste Jesu orientierte Pastoral ist die gelebte Liebe! Mit diesem „Lebensmittel“ als mein „Arbeitsmittel“ möchte ich meine „Restlaufzeit“ als Diakon gerne bei Ihnen und anderen unterwegs sein.

Ihr Martin Blankenburg, Diakon

(Dieser Artikel stammt aus unserem Gemeinde-Journal „Salz der Erde“, 2023/1, S. 4-5.) 

Siehe, nun mache ich etwas Neues – Baustelle Kirche (Artikel von 2018)

Kirche verändert sich – immer schneller. Für viele ist diese Entwicklung beängstigend, für andere geht die Veränderung, insbesondere der Institution Kirche, noch längst nicht weit genug. Zu diesen Veränderungen gehört ein Trauerprozess. Viel Vertrautes kann und wird es künftig so nicht mehr geben. Aber es braucht auch einen gemeinsamen Blick in die Zukunft.

Am Anfang des Prozesses der „Lokalen Kirchenentwicklung“ in unserem Bistum stand ein Hirtenwort von Bischof Norbert Trelle zur österlichen Bußzeit 2011. Grundlage dafür war ein Wort aus dem Buch des Propheten Jesaja:
„Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten.
Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?
Ja, ich lege einen Weg an durch die Steppe und Straßen durch die Wüste.
Die wilden Tiere werden mich preisen, die Schakale und Strauße, denn ich lasse in der Steppe Wasser fließen und Ströme in der Wüste, um mein Volk, mein erwähltes, zu tränken.
Das Volk, das ich mir erschaffen habe, wird meinen Ruhm verkünden.“ (Jesaja 43,18-21)

In vielen Gemeinden wurde inzwischen überlegt, ausprobiert, wieder verworfen, neu geplant.

Der Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bischöflichen Generalvikariat, Dr. Christian Hennecke, hat gemeinsam mit der Referentin für Lokale Kirchenentwicklung Christiane Müßig in den vergangenen zwei Jahren alle Pfarreien des Bistums besucht. Sie wollten wissen, welche Erfahrungen die Gemeinden gemacht haben, was sich entwickelt hat, wo die Gemeinden stehen. Vor kurzem haben die beiden ein Fazit dieser Besuche an die Gemeinden verschickt.

Trotz aller wahrgenommenen Schwierigkeiten gab es ein überraschendes Resümee:
„Wenn wir gefragt werden, wie wir die Situation der Pfarrgemeinden unseres Bistums sehen, dann wurde vielfach Überraschung spürbar. Denn wir sehen nicht, dass unsere Pfarrgemeinden sterben. Wir müssen das nicht sagen, um Optimismus zu erzeugen. Wir sind wirklich dieser Überzeugung. So viel Engagement, so viele starke und reife Persönlichkeiten sind uns begegnet, so viel Kreativität und Initiative. Das hat uns keine Sorgen gemacht.
Die Sorge ist eine andere: Oft sehen die Pfarrgemeinden selbst nicht, dass sie solche Stärken haben. Es gibt einen resignierten und verletzten Grundton, der dazu führt, dass manche einen langsamen, aber unaufhaltsamen Niedergang spüren. Sie suchen die Schuldigen dafür und vermuten sie in Hildesheim oder Rom.
Richtig daran ist bestimmt, dass in den vergangenen Jahrzehnten vor allem darauf gesetzt wurde, ein bestimmtes kirchliches Gefüge und System zu erhalten – und es zeigt sich, dass das nicht gelingen kann. Der Schmerz darüber ist allgegenwärtig. Wir befinden uns in einem tiefen Wandel – und da wird auch vieles sterben, was uns lieb und teuer ist. Trauer darf sein, muss sein und will getragen werden.
Aber gleichzeitig gilt: In den meisten Pfarreien findet man Initiativen, kleine Aufbrüche, schüchternes Blühen von Initiativen, die schon das Neue bezeugen, das hervorkommt. Das ist zu entdecken in der spirituellen Sehnsucht vieler, in den vielfältigen diakonischen Initiativen, in einer selbstverständlichen ökumenischen Leidenschaft. Es braucht allerdings einen Wandel des Blicks, eine neue Orientierung, einen vertieften Glauben in Gottes Führung. Wie sind wir Kirche in der Diaspora, in unserem Missionsland, wenn wir die gedachte Selbstverständlichkeit der Volkskirchlichkeit verlassen haben?
Unser Eindruck ist also überhaupt nicht negativ, sondern hoffnungsvoll. Natürlich braucht es Signale des Aufbruchs, natürlich einen besseren Austausch über die Glaubenserfahrungen und die Bilder des Neuen. Aber deutlich wurde uns auch: Das Neue ist schon da – oft fehlt uns noch die Brille, es gut zu sehen.“

Was bedeutet das nun für unsere Gemeinden? Zum einen gilt es zu realisieren: Kirche wird nicht mehr sein, wie sie einmal war. Viele denken, dass die Kirche, wie sie sie in den letzten 50 Jahren erlebt haben, „schon immer so war“. Aber das stimmt nicht. Kirche war nie „immer so“. Sie hat sich ständig verändert – mit den Zeiten und vor allem mit den Menschen, aus denen sie besteht.
Kürzlich wurde zudem auf einer Konferenz in Hildesheim festgestellt: „Die Zukunft wird nicht einfach die Fortsetzung der Gegenwart sein!“ Das gilt nicht nur für die Kirche, sondern für die ganze Gesellschaft.
Unser neuer Bischof Dr. Heiner Wilmer sagte kürzlich, Bezug nehmend auf das Buch „Zu spät“ von Martin Werlen: „Wir meinen immer, es sei in der Kirche fünf vor zwölf. Das stimmt nicht. Es ist bereits fünf nach zwölf. Also lasst uns erst mal gemeinsam eine Tasse Kaffee trinken und dann überlegen, wie wir die Zukunft gestalten.“

Wir möchten mit Ihnen den Blick weiten auf das, was in unseren Gemeinden in der letzten Zeit neu entstanden ist. Deshalb haben wir in diesem Jahr schon das zweite Journal dem Thema „Neu“ gewidmet. Ich finde, der Blick lohnt sich.

Carsten Menges

(Dieser Artikel stammt aus unserem Gemeinde-Journal „Salz der Erde“ 2018/3, S. 3.)

Grundsätzliche Informationen zum Konzept der lokalen Leitungsteams finden Sie hier, ausführlichere Informationen zur Entstehung der Idee der lokalen Leitungsteams finden Sie hier.