St. Marien in der NS-Zeit - 1933 bis 1945

Eine kleine Geschichte der St.-Marien-Gemeinde

Am 30. Januar 1933 wurde der Führer der NSDAP, Adolf Hitler, durch Reichspräsident Paul von Hindenburg zum Reichskanzler gemacht. In den folgenden 18 Monaten baute Hitler seine Macht konsequent aus, bis er eine totalitäre Diktatur errichtet hatte. Als ersten außenpolitischen Erfolg konnte er bereits am 20. Juli 1933 den Abschluss des Konkordats mit dem Hl. Stuhl verbuchen. Darin wurden der katholischen Kirche in Deutschland zwar weitgehende Rechte zugesichert; Hitler dachte jedoch nie daran, diesen Vertrag zu halten. Zwar hatte er sich damit für die Anfangszeit seiner Regierung ein loyales Wohlverhalten der Katholiken gesichert, aber schon wenige Monate nach der Regierungsübernahme trat die kirchenfeindliche Einstellung der NS-Regierung und der NSDAP deutlich in Erscheinung: Im Kampf des nationalsozialistischen Staates gegen Christentum und Kirchen wurden Prozesse gegen katholische Geistliche und Ordensbrüder wegen „Devisenvergehen“ oder „Sittlichkeitsverbrechen“ propagandistisch ausgeschlachtet

Im Streben um die angepeilte „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“ standen besonders die katholischen Schulen, Vereine und Verbände sowie die katholischen Publikationsorgane im Mittelpunkt der Auseinandersetzung: Die katholische Presse wurde kontrolliert, oft genug wurden ganze Auflagen wegen Veröffentlichung sogenannter „staatsabträglicher Artikel“ konfisziert. Der Kampf der katholischen Kirche um die Erhaltung der katholischen Bekenntnisschulen ging verloren. Klöster wurden aufgehoben. Katholische Vereine und Verbände wurden verboten. Die Seelsorge und der Religionsunterricht wurden behindert. Die Gottesdienste und ihre Besucher wurden überwacht und bespitzelt. Geistliche wurden verfolgt und verhaftet.

An dieser fortwährenden und systematischen Verletzung mehr oder weniger aller im Konkordat verbrieften Rechte durch den nationalsozialistischen Staat änderten weder die Enzyklika Papst Pius’ XI., „Mit brennender Sorge“, noch Hirtenbriefe einzelner Bischöfe oder die Eingaben der Bischofskonferenz etwas.

Auch in St. Marien wirkte sich dies alles aus. Im Juni 1938 beschloss der von Nazis durchsetzte Magistrat der Stadt die Aufhebung der katholischen Schule und die Einführung der Gemeinschaftsschule; der Kampf der Gemeinde gegen diese Schikanen – obwohl diese eindeutig konkordatswidrig waren – war vergeblich.

Die „Wandernde Kirche“ war eine Reaktion auf diese bedrückende Lage. Sie betreute seelsorgerlich und caritativ 25 weit verstreut und entfernt liegende Außenstellen (Lager der Landhilfe, des Reichsarbeitsdienstes und ihr Pflichtjahr ableistender Mädchen, später auch Kriegsgefangener und polnischer Zivilarbeiter): Es ging darum, Gottesdienste, Sakramentenspendung, Religionsunterricht und Begegnungsabende zu organisieren und auch für individuelle geistliche Betreuung bereitzustehen. Mitarbeiter in dieser Aufgabe waren Priester und Laien; einige Kapläne wohnten im St.-Bonifatius-Stift.

Nach Ansicht von Pfarrer Sprenger (1932-1959) waren die Katholiken in Lüneburg in der bedrückenden NS-Zeit enger zusammengewachsen und haben in überwiegender Mehrheit in Treue fest zu ihrer St.-Marien-Gemeinde gestanden.

Unser kleiner historischer Abriss wird hier weitergeführt.

Quellen:

  • Josef M. Sprenger: Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Pfarrkirche St. Marien zu Lüneburg (1858-1958), Lüneburg 1958.
  • Reinhold Dyckhoff / Anneliese Reichelt / Thomas Scharf-Wrede (Hg.): St. Marien Lüneburg 1850-2000. Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Kirchengemeinde = Hildesheimer Chronik. Beiträge zur Geschichte des Bistums Hildesheim, Band 5, hrsg. vom Bistumsarchiv und Dombibliothek, Verlag für Regionalgeschichte Bielefeld 2000.